Mittwoch, 22. Januar 2020

Jede Pore atmet Musik

- Interview EAST BLUES EXPERIENCE am 06.10.2019 -

Zwei Tage nach dem offiziellen Release-Day hatte ich die Gelegenheit, für einen SCHALL-Beitrag mit den Jungs von East Blues Experience über ihr neues Album zu sprechen. Und da in diesem sehr umfangreichen Interview sehr viel mehr Gesprächsstoff steckte, als ich in meinem Beitrag unterbringen konnte, gibt es hier noch einmal das komplette Interview zum Nachlesen. Natürlich mit Genehmigung der Band und der SCHALL-Redaktion. Viel Spaß beim Lesen und vor allem bei den anstehenden Konzerten im Januar/Februar 2020! Alle Termine gibt es auf www.east-blues-experience.com

Albumcover


Hallo zusammen und zunächst mal vielen Dank dafür, dass ihr euch die Zeit nehmt für das Gespräch, dass ihr sogar alle vier hergekommen seid.
Peter: Wir haben zu danken.

Zwei Tage ist das neue Album gerade alt, das ich vorab von euch bekommen habe. Und ich habe nochmal nachgesehen, um nichts Falsches zu sagen: Die EP ″Der Tag″ liegt schon fünf Jahre zurück und das letzte Album sogar schon zwölf Jahre. Wie kam es dazu, dass das Album gerade jetzt veröffentlicht wurde? Und wie fühlt sich an, dass es nun endlich da ist?
Peter: Naja, zuerst mal haben wir die Idee gehabt, eine Tour zu machen, was aufgrund der Einbindung in die anderen Projekte auch zeitlich immer etwas schwierig ist. Und dann macht sich das Tour- bzw. Muggen-besorgen natürlich viel besser, wenn man etwas in der Hand hat. Wenn man also dem Veranstalter sagen kann, wir haben etwas Neues und hier ist das Gesamtpaket. Das ist immer besser, als einfach zu sagen, wir spielen mal wieder bei euch. Die erste Idee war auch, wieder so eine kleine Platte zu machen. Aber ich hatte einfach ein paar mehr Ideen und dann sagte Ronny, dann können wir auch gleich eine richtige Platte machen.
Ronny: Moment, da muss ich jetzt mal einen Einwand machen. Es ging so los, dass wir im Oktober zusammensaßen, weil wir Anfragen für ein paar Termine hatten. Und weil das zeitlich immer schwierig zu managen ist, da wir alle noch anderweitig eingebunden sind, haben wir uns getroffen, um zu besprechen, wie wir die Anfragen für die nächste Zeit handhaben wollen. Und als wir auf das Thema Platte zu sprechen kamen, sagte Peter, dass er mehrere Ideen für eine EP hätte. Man könnte zum Beispiel eine EP mit Songs machen, die er schon immer mal aufnehmen wollte. Und er hatte auch ein paar neue Songs. Wir hatten ursprünglich die Idee, mehrere kleine Platten aufzunehmen. Und dann habe ich gesagt: Lasst uns das doch zu einem Album zusammenfassen. Dann machen wir einen richtigen, guten Rutsch. So war es konkret und auf den Punkt gebracht.
Peter: Und so hätte ich es auch noch gesagt… (lacht)
Jäcki: Gleich wieder eingemischt, Ronny. (alle lachen)

Gleich bei den ersten Takten des ersten Songs, also bei "Thirty Something", hatte ich das Gefühl von Rennpferden in der Startbox, die mit den Hufen scharren und dann endlich losrennen können. Ich habe mich schon gefragt, wie ihr es überhaupt so lange ausgehalten habt, ohne ein neues Album. Man merkt bei euch, live wie auch auf dem Album, dass ihr da so richtig Bock drauf habt.
Peter: Na meinetwegen können wir jeden Tag etwas aufnehmen, aber das geht halt nicht. Bei uns ist es eben so, dass wir keine 365-Tage-Band sind und so ist es ein Sachzwang, dem wir irgendwie Tribut zollen müssen. Nur einfach eine Platte zu machen und die dann nicht zu promoten, ist doof. Und nur auf Tour zu gehen, ohne den Veranstaltern etwas in die Hand zu geben, ist auch doof. Aber so wird es eben besonders und macht Spaß, damit auch die Leute kommen und darauf freuen wir uns. Der Sachzwang ist unsere Terminplanung, das müssen wir aushalten. Genau genommen nehme ich jeden Tag was auf und die anderen Kollegen auch, nur mit anderen Bands. Also ich könnte schon wieder eine neue Platte machen, ich habe auch schon wieder neue Songs geschrieben und freue mich darauf. Mal sehen, wie lange es dauert. (alle lachen)

Na hoffentlich nicht wieder zwölf Jahre...
Peter: Naja...

Ihr habt das Thema schon mehrfach angesprochen, dass ihr alle auch in verschiedenen anderen Projekten steckt. Ihr seid also nicht immer in dieser Besetzung unterwegs. So eine klassische Albumproduktion – nach dem Motto, wir nehmen uns jetzt mal ein paar Monate Zeit, schreiben Songs, arrangieren die und gehen dann zusammen ins Studio – wird es sicherlich nicht gewesen sein. Wie ist es denn wirklich abgelaufen?
Ronny: Naja, wir haben uns, nachdem Peter die verschiedenen Ideen zu den EP-Themen genannt hatte, getroffen und uns natürlich auch die Songs angehört, die Peter vorgeschlagen hat. Das ist ja der erste Schritt überhaupt – man setzt sich hin und trifft eine Auswahl. Und das passiert auf ganz unterschiedliche Weise. Der Großteil ist einfach so entstanden, dass Peter mit einer Akustikgitarre bei mir im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und uns die Songs vorgespielt hat. Und wir einfach ein Aufnahmegerät auf den Tisch gelegt haben, damit jeder nochmal in Ruhe darüber nachdenken kann. Und dann haben wir eine Auswahl getroffen. Das dauert ein paar Tage, weil der eine oder andere sagt: Ich wäre dafür, dass wir den einen Song vielleicht weglassen und den anderen nehmen wir rein. Wir haben natürlich eine größere Auswahl gehabt, als wir am Ende genommen haben – so entsteht ein Pool an Songs. Und dann trifft man sich und fängt an zu arbeiten und dabei kristallisieren sich wieder Dinge heraus. Bei uns sah es konkret so aus, dass wir beim Treffen im Januar gemerkt haben, dass wir zwischen einem und drei Tagen hatten, wo wir uns getroffen und geprobt haben. Dann verging mal wieder eine Woche, wo wir nichts gemacht haben. Und so ging das Schritt für Schritt, bis wir gesagt haben, dass wir den ersten Aufnahmetermin vereinbaren können, der drei Tage gedauert hat. Dann haben wir noch einen zweiten Aufnahmetermin bei Rainer Oleak im Studio vereinbart, wo wir wieder drei Tage aufgenommen haben. Insgesamt, also mit Overdubs, ist die Platte dann praktisch an sieben Aufnahmetagen entstanden.
Peter: Also in Etappen, nicht am Stück.

Das ist aber trotzdem nicht viel.
Jäcki: Nöö.
Peter: Nöö. Vor allem haben wir das Album ja live eingespielt. Wir haben also nur ein paar Overdubs gemacht und die Rhythmusgruppe ist live. Das heißt, wir haben alle zusammen gespielt.

Das habe ich schon in einem Interview gelesen. Das macht es wahrscheinlich auch zeitlich einfacher.
Jäcki: Ja, und das Schöne ist – das habe ich, glaube ich, auch schon mal irgendwo anders gesagt – bei uns ist immer alles so klar. Wir wissen irgendwie, was jeder zu spielen hat und da brauchen wir auch keine großen Absprachen und Wünsche, mach mal so oder mal so. Und dadurch geht es auch relativ schnell, finde ich. Für East Blues haben wir schon relativ viel geprobt und dabei war es eigentlich wenig. Andere schließen sich dafür tagelang im Studio ein. (alle lachen)

Es sind ja auch Songs dabei gewesen, die ihr schon live gespielt habt. Dadurch ist es wahrscheinlich relativ klar und es wird nicht mehr so viel geändert. Oder?
Ronny: Ja, aber wir hatten Tatsache auch die eine oder andere Nuss zu knacken. Wie das eben so ist in einem Prozess, wenn man sich damit beschäftigt. Man merkt dann: Irgendwie haben wir es noch nicht so richtig arrangiert oder gespielt, dass es bestmöglich erscheint. Und dann haben wir uns nochmal rangesetzt. Ich glaube, wir hatten im Vorfeld vier oder fünf Probeeinheiten, in denen wir die Songs erarbeitet haben. Da kam es schon mal vor, bei "Make it better" zum Beispiel, dass wir da länger dran rumgefeilt haben. Und zwar so lange, bis wir gemerkt haben, jetzt ist es gut. Und das liegt Tatsache schon sehr lange zurück, dass wir sowas mal gemacht haben. Genau das ist es, was ich als neue Qualität bezeichnen würde für dieses Album.
Jäcki: Schön war auch, dass wir meist bei Ronny geprobt haben und immer alles gleich mitschneiden konnten. Jeder konnte es also mit nach Hause nehmen und sich nochmal Gedanken machen: War das schon gut, was ich da gespielt habe? Oder man konnte eben auch andere Vorschläge machen und weiter dran arbeiten.

Das heißt, dass ihr euch nicht großartig hingesetzt und einen roten Faden gesucht habt, nach dem ihr die Songs zusammenstellt. Sondern es war einfach eine Menge Material da und daraus habt ihr die Auswahl getroffen, die für euch passt...
Peter: Den Kopf haben wir uns vorher gemacht, quasi. Das war also kein Aktionismus, nach dem Motto: Wir fangen erstmal an. Sondern wir wussten schon, in welche Richtung es gehen soll.

Was mir aufgefallen ist und mich natürlich interessiert, sind die deutschen Coversongs. Wie ist es denn zu dieser Auswahl gekommen? Das sind ja beides Songs, bei denen man eine Frauenstimme im Ohr hat – Ines Paulke und Veronika Fischer. Von Ines Paulke hattest du, glaube ich, schon mal erzählt. Aber bei Veronika Fischer war ich schon etwas überrascht, im positiven Sinne.
Peter: Das hat zum Beispiel damit zu tun, dass es unsere Band im nächsten Jahr schon 30 Jahre gibt. Das war mir zu Anfang gar nicht so bewusst und da habe ich gedacht, man könnte ja ein paar Songs reinnehmen, die in den 30 Jahren wichtig gewesen sind. Songs, die für mich persönlich auch wichtig gewesen sind, weil ich ja am allerlängsten dabei bin. Zumindest zwei oder drei Monate länger als Ronny. Und deshalb wollte ich gerne Songs nehmen von Leuten, mit denen wir zusammen gespielt haben. Und Ines war ja bei uns dabei, wir waren ein Team. Ich habe Ines auch kennengelernt, wir haben uns ein paarmal unterhalten und das war sehr beeindruckend, weil wir aus total verschiedenen Szenen kamen. Dabei habe ich Ines als ganz besonderen Menschen kennengelernt, vom Singen her und mit dem Teamgeist sowieso. Außerdem habe ich mit Andreas Hähle telefoniert, wir haben uns auch getroffen und er hat mir noch ganz viele Texte geschickt. Weil ich gesagt habe, mach doch mal welche für mich, da würde ich mich freuen. Ich hatte zuhause schon angefangen und wollte ihm den Song noch vorspielen, bevor er gestorben ist, aber den hat er leider nicht mehr gehört. Ich war erst eine Woche später soweit, nachdem er gestorben ist. Das waren für mich zwei Gründe, dieses Lied vorzuschlagen. Und ich habe auch eine Strophe extra für Ines dazu geschrieben; wer das Lied kennt, wird es ja merken. Das ist das eine Stück, das wir sozusagen verbluest haben, du hast es ja gehört. Das zweite ist von Vroni Fischer. Als ich es damals gehört habe – ich meine, das war 1971, mit Panta Rhei – das hat mich sehr beeindruckt. Es gibt so Sachen, da kannst du nicht beschreiben warum; aber da war irgendwas, das hat mich total berührt. Und dann hat Vroni das natürlich fantastisch gesungen und das passte. Panta Rhei war auch eine Band, die sowas gemacht hat – die haben Blood, Sweat & Tears gespielt, was damals meine Lieblingsband war, neben Jimi Hendrix natürlich und so. Da habe ich gedacht, das würde ich auch gern mal singen. Also ich wollte, dass der Groove, das Thema ein bisschen straffer ist – so, wie wir es jetzt gespielt haben. Und das hat alles mit 30 Jahren EBE zu tun und mit dem, was da drin war, was man irgendwie mitgenommen hat als Inspiration.
Jäcki: Ich habe Vroni übrigens unsere Fassung geschickt und sie findet es geil.
Peter: Ach, hast du ihr schon geschickt?
Jäcki: Habe ich das noch nicht erzählt?
Peter: Nee.

Das Album ist ja quasi eine Mischung. Es sind zum einen Coversongs drauf – aber nicht die Art, die möglichst nah ans Original rankommen will, sondern auf eure ganz eigene Art gecovert, was ich ja so genial finde. Und es sind natürlich eigene Songs drauf, die Peter geschrieben hat. Wie läuft das bei dir, Peter: Schreibst du jederzeit, wenn dir so ist und bringst dann den fertigen Song zum nächsten Treffen mit? Oder entsteht der erst im Zusammenspiel im Probenraum?
Peter: Der größte Teil ist fertig, ein paar Sachen habe ich auch vorher schon aufgenommen. Ich habe diesmal sogar die eine Bassfigur extra komponiert, die Jäcki gespielt hat. Also den Grundstock, Jäcki macht dann natürlich die Feinheiten. Und ich habe zum Beispiel einige Texte noch verändert, während wir das aufgenommen haben. Weil es dann manchmal ein bisschen anders klang, als ich es selber gespielt habe. Und das gestatte ich mir auch. Das eine ist die Idee und die entwickelt sich dann – da kommt hier noch ein bisschen Zucker rein oder ein Schluck Wasser dazu, so in der Art. Und manches klingt auch ganz anders hinterher. Wie im Gespräch, wo du denkst: Mensch war doch anders, als ich gedacht hab. Und das ist auch nicht traurig...

Anders, aber trotzdem gut...
Peter: Ja, das muss sein. Es muss uns schon gefallen zum Schluss.

Wie läuft das Songschreiben bei dir? Setzt du dich gezielt hin, um zu schreiben oder ergibt es sich aus der Situation, wenn du irgendwo unterwegs bist und eine bestimmte Idee im Kopf hast?
Peter: Genauso, es gibt beides. Früher habe ich mich hingesetzt und überlegt, was mich interessiert und worüber ich ein Lied schreiben kann. Dann habe ich irgendwann die Idee gehabt, das auf meinem Handy festzuhalten. Dann habe ich einfach ein paar Textideen oder irgendwas, was knackig ist, aufgenommen und daraus was gebaut. Irgendwann passt das zusammen. Und manchmal sind es Themen, die mich total interessieren, wo ich mich sowieso hinsetze, ein Gedicht draus mache oder so. Wie bei "Der Tag" zum Beispiel, was mich ja seit Jahren schon interessiert. Und dann hast du wieder eine Idee und wieder eine Idee. Also, es geht beides. Das kann total zusammengebastelt sein aus verschiedenen Zutaten und es kann auch konzentriert sein. Da gibt es kein Rezept, das kommt immer drauf an. Auf jeden Fall habe ich mein Telefon, wo ich das draufquatschen kann. Ich bin zum Beispiel mal aufgewacht und hatte eine Idee und da habe ich gedacht, die weiß ich morgen auch noch. Die ist so klasse. Und dann habe ich weiter geschlafen und morgens habe ich mich halb tot geärgert, weil es weg war. Das war so gut... Und irgendwann habe ich den Traum nochmal geträumt, das ist total komisch gewesen. Und dann – das ist kein Gag – bin ich aufgewacht, habe es drauf gequatscht und wusste am nächsten Morgen, da wäre ich nie mehr drauf gekommen. Das war "die Treppe hinauf, die hinab führt". Ja, so ist das. Übrigens, wir haben auch eine Nummer von Motörhead auf dem Album – "Whorehouse Blues". Ich bin jetzt nicht so der Motörhead-Fan, sondern ich fand Lemmy immer total klasse. Also nicht, dass das jetzt irgendwie falsch ankommt. Ich wäre nie drauf gekommen, dass mich das irgendwie beeinflusst. Aber bei "Hit of the Blues", das hat schon mit Motörhead zu tun. Und das war für mich super, von der Inspiration her. Eben einfach mal so loslegen, das gehört auch mit dazu. Das ist nicht Ines und Vroni, aber wir haben es ja auch hier ein bisschen anders gemacht.

Stichwort "Der Tag" und deutsche Texte. Auf der EP waren mehrere deutschsprachige Songs. Ich hätte jetzt damit gerechnet, dass der eine oder andere eigene deutschsprachige Song auf dem Album dabei ist – dem ist aber nicht so. Hat sich das einfach nicht so entwickelt oder nicht so angefühlt oder woran lag es?
Peter: Das ist ein Zufall, weil wir das eben nicht konzeptioniert hatten. Das ist wie Würfeln und für mich ist es ja kein großer Unterschied. Wenn ich in Englisch schreibe, denke ich ja auch in Englisch. In sofern ist es für mich keine Translation, sozusagen, sondern für mich ist es entweder so oder so.

Das heißt, für dich ergibt es sich dann einfach, wie es zusammenpasst – Musik und Text. Wie der Song werden will, sozusagen?
Peter: Manches fließt einfach besser. Aber ich habe auch ein paar schöne Sachen gemacht, die kommen dann demnächst nochmal.

Das klingt gut. Ihr habt ja vorhin schon aus dem Studio erzählt, dass ihr manchmal denkt, bei dem Song könnte noch etwas gehen und dann setzt ihr euch nochmal dran. Lasst ihr euch eigentlich bei eurer Albumproduktion von anderen in die Karten gucken? Lasst ihr andere da mal reinhören oder euch beraten? Oder bleibt das alles intern?
Ronny: Natürlich ist Rainer Oleak dabei, aber ansonsten nicht. Sonst haben wir eigentlich eine klare Vorstellung von den Dingen. Was wir schon machen, also ich zumindest – man spielt es natürlich schon mal jemandem vor. Ich spiele es zum Beispiel meiner Frau vor. Oder wenn ich andere Arbeiten habe, die das Album betreffen, zum Beispiel gestalterische Arbeiten, dann mache ich so eine Art Marktforschung und zeige das meinen Schülern an der Musikschule und frage: Welches Cover von den dreien gefällt dir am besten? Und dann frage ich auch, warum. Und dann mache ich mir darüber Gedanken. Ich finde es gut und richtig, wenn man sich Meinungen zu seiner Arbeit einholt, egal, ob es nun Musik ist oder anderes im kreativen Bereich. Man hat ja meist eine klare Vorstellung davon, wie man wahrgenommen werden möchte. Diese Vorstellung hat man von sich und der Sache, die man macht, aber die sind immer zu hinterfragen. Dafür gibt es ja viele Beispiele...
Jäcki: Naja, musikalisch war es eigentlich wirklich ohne andere. Das haben wir überhaupt nicht gebraucht, weil wirklich alles klar war. Jeder hat natürlich mal ein paar Hinweise gegeben zum Aufnehmen und so...
Peter: Das liegt bei uns natürlich auch daran, dass wir keine Suchenden sind.

Das habe ich tatsächlich auch gerade gedacht...
Peter: Wir haben ein Standing und wir wissen, wenn wir zusammen spielen und eine Session machen, dann entstehen manchmal so Sachen – beim Rumgeigeln oder beim Soundcheck – die könnte man eigentlich auch aufnehmen. Es ist ja nicht ohne Sinn – jetzt mal philosophisch gesprochen – dass nun gerade wir zusammen spielen. Das ist Arsch und Eimer, quasi. Und alles das, was wir so gemeinsam spielen, fügt sich zu einem Ganzen. Das heißt, wenn da etwas rausbricht – im Sinne von total ungewöhnlich – dann ist das ja vielleicht Absicht, wie beim Dudelsack oder wenn ich Mundharmonika spiele. Und das passt dann auch dorthin. Und wir haben solche Ideen gemeinsam mit Adrian, so soundmäßig und gitarrenmäßig. Das ergänzt sich stilistisch, so dass wir immer eine Einheit bleiben. Und wir setzen uns eben nicht zusammen wie manche Bands und überlegen uns – wenn wir uns jetzt die Haare grün färben, läuft es dann vielleicht besser oder so. Sondern wir sind immer wir geblieben. Auch dass die Band East Blues Experience heißt, hat ja einen Grund gehabt. Irgendjemand hat mal gefragt, ob wir nicht mal den Namen ändern wollen. Wenn die Leute Blues hören, die Veranstalter und so... Da habe ich gesagt: Ja, das können wir machen, aber dann ist das eben auch nicht mehr die Band. Wir haben das einfach durchgehalten, gegen alle anderen Sachen. Und deswegen ist es immer ein Produkt. Wir könnten quasi spielen, was wir wollen – wenn wir alle gemeinsam das spielen wollen, wenn wir das möchten, dann kommt immer etwas raus, das nach East Blues Experience klingt. Ob das jetzt ein Veronika Fischer-Song ist oder einer von Motörhead oder einer von uns. Das klingt immer nach uns – das ist ja der Sinn unseres gemeinsamen Musizierens. Und jetzt haben wir dadurch, dass wir durchgehalten haben, eben auch viele Menschen, die sich darüber tierisch freuen. Dass es geschäftlich natürlich andere Sachen gibt, wo mal dies und das passieren könnte, wenn man dies und das machen würde – wenn wir alle jünger wären zum Beispiel – also irgendwas, was ein Management bei einem Vermarktungsprozess planen könnte. Zieht euch anders an oder sowas, das hätte man früher mal machen können. Aber wir haben es nicht gemacht und irgendwann kriegst du eben auch den Lohn dafür. Zum Beispiel, wenn man jetzt hier sitzt und sich darüber unterhält, dass eine neue Platte fertig ist, in die wir viel Herzblut reingegeben haben. Und das ist der Lohn, den viele andere eben auch nicht verstehen können.

Das kommt vielleicht auch dadurch, dass ihr alle auch in anderen Projekten steckt und noch andere Sachen macht, das schafft sicher auch eine gewisse Entspanntheit. Ihr seid eben nicht so aufgeregt, dass ihr irgendwelchen Trends nachlauft, sondern ihr macht das, was euch entspricht und was euch Spaß macht.
Peter: Genau, absolut. Na klar.

Und das ist eben auch genau das, was von euch rüberkommt.
Ronny: Rainer Oleak hat das mal gesagt, als wir uns über eine andere Sache unterhalten haben, über eine andere Band. Da kam das Adjektiv altmodisch vor. Das war so ein Gedankenaustausch und da habe ich gesagt, wenn du so willst, ist East Blues auch altmodisch. Und da hat er gesagt: "Nein, Ronny. Eure Musik ist nicht altmodisch, die ist zeitlos. Ihr macht Blues." (lautes Gelächter in der Runde)

Ja, und ich glaube, Peter hat mal in irgendeinem Interview gesagt, dass eben auch viele Leute gibt, die gesagt haben: "Blues ist eigentlich nicht so mein Ding, aber das, was ihr macht, finde ich cool."
Peter: Nee, das hat Ronny gesagt.
Ronny: Ja, das war in einem Interview oder so. Aber das kommt immer wieder vor, dass Leute das sagen und darüber freue ich mich sehr.

Weil es eben nicht DIE eine Schublade gibt, in der ihr drinsteckt. Das braucht ihr einfach nicht; ihr macht einfach das, worauf ihr Lust habt.
Ronny: Ich bin ja ein Freund davon, dass jede Band oder jeder Künstler, der gut spielt, seine Leute erreicht. Das ist ein wesentliches Kriterium von guter Musik. Gute Musik ist für mich die Musik, die auf irgendeine Art und Weise die Menschen erreicht. Egal, ob sie zur Bewegung animiert oder dass eine Träne fließt oder dass man gute Laune bekommt. Ich meine, dass sie eine bestimmte Stimmung unterstützt oder erzeugt. Je nachdem, das kann sehr unterschiedlich sein. Aber das ist gute Musik. Und wenn du das als Musiker erreichst oder jeder andere Künstler auch, dass du an einem Bild stehenbleibst oder so, das ist genau das gleiche.
Peter: Das Bild ist ja auch eine gute Sache. Wenn du davorstehst und nicht mehr überlegen musst, warum das so aussieht oder mit welcher Farbe das gemalt ist. Bei mir ist das zum Beispiel so, wenn ich Gitarrenmusik höre – im Amerikanischen oder im Englischen gibt es ja schon den Unterschied zwischen ′to listen′ und ′to hear′ – wenn ich also Musik höre, dann sehe ich automatisch ein Griffbrett. Und dann überlege ich, wie haben die das gemacht und das wird Adrian nicht anders gehen. Und dann gibt es aber Stellen oder Musik, die dich überwältigt und dann ist das weg. Genau das ist es. Und da ist es mir egal, wer das ist – und wenn es Dieter Bohlen wäre…
Jäcki: Und da kommt wieder mein Spruch...

Es gibt keine schlechte Musik.
Jäcki: Genau.

Das ist aber auch so.
Peter: Das ist aber wirklich so.
Jäcki: Ich glaube, das hat Louis Armstrong mal gesagt: "Es gibt keine schlechte Musik, es gibt nur schlecht gespielte Musik." Und da ist so viel dran. Also, wenn man so an die Musik rangeht – aber das machen leider nicht alle Musiker.
Ronny: Das ist auch das, wonach wir immer suchen. Das ist genau das, wenn wir sagen, dass wir in der Probe den Song immer wieder angefasst haben. Wenn uns irgendwo auffällt, das packt uns noch nicht, objektiv betrachtet. Wenn wir sagen, uns erreicht dieser Song, wie er da gespielt wird in der Vorproduktion zum Beispiel – das ist immer das angestrebte Ziel. Und wenn wir das nicht hinkriegen, dann machen wir es nicht. Das war auch von vornherein die Absprache: Alles was nicht gut ist, wird auch nicht auf das Album raufkommen.

Sondern nur das, was eurem eigenen Anspruch genügt.
Peter: Genau.
Jäcki: Wie das eben so ist, es gibt Songs, da klappt es sofort. Und dann hast du eben auch andere Songs, wie "Make it better", wo wir uns erstmal ein bisschen rantasten müssen.
Peter: Das war auch interessant, als wir das zuerst gespielt haben, ging das ja auch so. Das war so rockmusikalisch. Aber ich habe die ganze Zeit vorher mit meinen afrikanischen Kollegen zusammen gespielt. Und als ich das geschrieben habe – da ist so ein bisschen anderer Swing drin irgendwie – dann musst du das ja auch mal rüberbringen. Und deshalb war ich immer irgendwie anders unterwegs. Ronny sagte immer aus seiner Kabine raus: "Irgendwas ist mit dem Lied." Und dann haben wir das irgendwie zusammengekriegt... (gibt den Rhythmus an) Das ist dann nicht notiert, was man so wie ein Uhrwerk verfolgt.

Wobei es sicher auch einen Unterschied macht, wenn ihr das live zusammen im Studio einspielt. Dann kann es sich entwickeln, dann kann der Song quasi wachsen. Das ist schon ein Unterschied, ob irgendwie vorher schon alles feststeht und jeder seine Parts nacheinander einspielt. Das stelle ich mir schwieriger vor.
Peter: Natürlich geht das auch. Also, dass du eine Notation hast, die man auch mit Drumcomputer spielen könnte, einem gut klingenden... Naja, dann kannst du es auch gleich programmieren, wie Jäcki immer sagt. Dann geht es natürlich, aber dann fehlt dir auch die Interaktion. Da sind ja auch ein paar Sachen drauf, ein paar Millisekunden, wo wir was drauf gelassen haben, was man auch hätte retuschieren können. Aber da ist nichts glattgebügelt.
Jäcki: Genauso ist es.

Aber dadurch klingt es auch emotionaler, näher am Live-Erlebnis.
Peter: Genau, das ist es. Und das haben wir draufgelassen, weil ja alles gut gespielt ist. Keine Frage. Aber es ist eben nicht glattgebügelt, weil das Feeling genau so gewesen ist. Deshalb ist es für mich jedenfalls so stimmig.

Und genau das ist der Unterschied. Ich bekomme ja viele CDs zum Rezensieren und die meisten, vielleicht 90% der Sänger oder Bands, kenne ich vorher nicht. Und da sind viele dabei, hinter denen ein großes Label steht. Die sind zwar technisch super gespielt, aber sie erreichen mich trotzdem nicht. Das ist bei eurem Album völlig anders.
Ronny: Und das ist genau der Grund dafür, dass wir die Leute erreichen. Das funktioniert, weil wir eine Band sind, die gut zusammen spielt. Die Musik, die wir spielen, spielen wir eben auf die gleiche Art und Weise – wir können wie eine Stimme sein von der Bühne. Und die Erfahrung ist einfach, wenn man schon in verschiedener Art und Weise Aufnahmen gemacht hat, dass man da Energie rausholt, in dem Sinne, dass diese eine Stimme gut schwingt. Und das ist die Hauptsache, warum wir zusammen gespielt haben, weil wir die Sachen eben wie eine Stimme aufnehmen und produzieren. Weil wir in dem Moment in der gleichen Stimmung sind, wenn wir zusammen spielen. Und ich glaube, das ist es eben, wo man spürt, dass die eine Aufnahme anders ist, als der gleiche Song mit einer anderen Methode aufgenommen. Das ist der Hauptgrund, warum wir das so gemacht haben, würde ich sagen.
Peter: Genau. Ronny hat es ja gut gesagt. Man könnte zum Beispiel montags das Schlagzeug aufnehmen. Jetzt müsste Jäcki als nächster – in der Regel ist das so – am Dienstag das Gefühl haben, was Ronny am Montag hatte. Und alle beide müssten quasi für mich als Sängerin – weil wir immer sagen, die Sängerin muss sich wohlfühlen (lacht) – das schon vorbereiten. Die müssten also so tun, als wäre gleichzeitig Mittwoch. Das wäre schwierig. Also, wenn es lauter Profis sind, kriegst du das hin, es so hinzuschieben, dass es ein Song wird. Wenn es aber richtig stimmig ist und alle spielen gemeinsam, dann musst du da nicht viel machen, dann ist das anders. Und deswegen haben wir das so gemacht. Da bin ich auch sehr glücklich drüber.
Jäcki: Ohne jetzt anzugeben, aber bei "On the run" haben wir kurz Soundcheck gemacht und dann den Song quasi aufgenommen. Und dann waren wir fertig und Ole sagte: "Das war’s." Danach haben wir den angehört, weil wir nicht sicher waren, aber dann festgestellt: "Ja. Was sollten wir daran jetzt noch machen…"
Peter: Wir sind ja gar nicht so rangegangen. Wir haben einfach mal so gespielt und haben dann gemerkt, das geht so gut.

Ja klar, dann sind eben alle gleichzeitig in dem Moment.
Peter: Ja, und das ist wichtiger, als nachträglich noch an irgendwelchen Stellen zu korrigieren.
Ronny: Ich glaube, eine Lebendigkeit entsteht auch dadurch, weil jeder eben jeden Take immer mal wieder leicht verändert. Wenn der eine sagt, das war richtig gut und der andere sagt, er hatte da eine Stelle. Und dann hörst du es dir an und triffst die Entscheidung: Nehmen wir es nochmal auf oder ist es egal? Manchmal sagt man: Ok, lasst es uns nochmal machen. Und dann sagt der eine: Stimmt, es ist jetzt eigentlich besser. Dann sagt der andere, der vorher total gut war: Jetzt habe ich aber eine Kleinigkeit. Ich glaube, das ist am Ende das, was du als Lebendigkeit in der Aufnahme spürst. Du nimmst es nicht wirklich wahr, aber es ist eben immer wieder etwas anders.

Ihr habt vorhin gesagt, dass ihr für eure Verhältnisse jetzt schon relativ viel geprobt habt. Bis zur Tour ist zwar noch ein bisschen Zeit, aber ihr habt auch alle noch viel zu tun. Ronny und Jäcki, ihr habt mit Silly noch ein ordentliches Pensum. Von dir, Adrian habe ich gehört, dass du jetzt ein paar Wochen auf Reisen bist. Peter, du bist auch mit allen möglichen Bands und bei Konzerten unterwegs. Habt ihr überhaupt die Chance oder die Zeit, wird es noch eine Tourvorbereitung geben?
Jäcki & Peter: Ja, ja.
Ronny: Ja, wir werden ja ein neues Programm präsentieren.
Peter: Und wir müssen ja auch die Songs jetzt nochmal live spielen.

Stimmt. Manche gab es noch nicht live...
Peter: Genau. Vier Stück oder so haben wir erst live gespielt.

Wie trefft ihr denn die Auswahl? Wer macht das?
Ronny: Peter ist immer der kreative Kopf für solche Dinge. Als Sänger und Gitarrist ist er die musikalische Hauptfigur der Band und muss sich in erster Linie wohlfühlen. Er ist bei der Platte der erste, der praktisch mit seinen Songs einen Vorschlag machen muss. Und wenn ein Vorschlag von uns kommt, muss er sagen: Stimmt, habe ich gar nicht dran gedacht, aber das würde ich auch gerne machen wollen. Peter muss also immer derjenige sein, der sagt, dass er das machen möchte. Egal, ob mit der Stimme, dem Text oder Gesang und allem, was da passiert – er ist immer derjenige, der am meisten von allem überzeugt sein muss. Deshalb ist er der Erste, der die Vorschläge machen muss. Und dann diskutieren wir darüber. (alle lachen)
Peter: Ich muss da auch Adrian mit einbeziehen, weil wir beide auch Duo-Parts machen. Und da moderieren wir ja beide. Wir nehmen die Leute so mit, als wenn wir uns unterhalten. Und das würde ich gern bei der Tour auch so machen. Und weil da einer mal anfing von wegen Lehrer und Schüler – bei uns gibt es das mit Lehrer und Schüler sowieso nicht. Wir sind zwei Musiker, die beide das gleiche lieben, sozusagen. Egal, ob er jetzt jünger ist und ich älter... Ich finde es zwar bedauerlich, dass ich älter bin, aber ansonsten ist das ja ein reiner Zufall. Das spielt wirklich überhaupt keine Rolle, überhaupt nicht.

Das ist auch mein Empfinden als Zuschauer, dass ihr beide euch so die Bälle zuspielt. Und das funktioniert, glaube ich, eben wirklich nur dann, wenn man gleichberechtigt miteinander arbeitet.
Peter: Wir arbeiten ja in derselben Gruppe. Und das würde ich zum Beispiel gerne – Adrian singt ja auch auf der Platte, auch mal backgroundmäßig – so machen, dass wir uns die Moderation ein bisschen teilen. Da arbeiten wir auf jeden Fall dran. Und ich bin immer dankbar für Vorschläge, aber es gibt eben auch objektive Sachen, die ich berücksichtigen muss. Zum Beispiel, wenn ich eine Nummer wie "Always on the run" gerade gesungen habe – da geht es bis zum A hoch, da kommt fast Blut aus dem Ohr. Und wenn ich den Song zum Anfang spiele, dann muss ich darauf achten, dass entweder Adrian danach was singt oder eine Instrumentalnummer kommt oder ich was ganz anderes singe. Und da ich das meiste singe, ist es eben am besten, wenn ich das entscheide. Das ist der ganz pragmatische Grund, der dahintersteckt. Nicht, weil ich der Bestimmer bin.
Ronny: Und ich finde es gut, wenn bei der Titelauswahl auf der Platte – um mal das zu bestätigen, was Peter gesagt hat – auch Adrian mitmacht. Er ist ja quasi groß geworden in der Band. Wenn es jetzt darum geht, muss ich ihm zwar manchmal in den Arsch treten und sagen: Du bist vollwertiges Bandmitglied, du musst jetzt auch mal was sagen. Aber mittlerweile ist es wirklich so, dass Adrian auch Vorschläge macht und sagt, er würde gern "For the turnstiles" auf die Platte mit raufnehmen. Das kam zum Beispiel von Adrian. Es ist eben so, dass wir alle Vorschläge machen. Auch wenn wir wissen, dass Peter den Vorrang hat, haben wir alle die Freiheit zu sagen, dass wir gern diesen oder jenen Song spielen würden. Und dann fragen wir Peter, was er dazu sagt.
Jäcki: Also, es ist alles völlig demokratisch.
Peter: Wir haben eine vernünftige Arbeitsteilung. Adrian und ich spielen ja zum Beispiel auch Bass, und das gar nicht mal so schlecht...
Jäcki: Ja, leider. (alle lachen)
Peter: Trotzdem würde ich nie auf die Idee kommen, mich da irgendwie in Jäckis Kompetenz einzumischen. Nicht aus Höflichkeit, das wäre einfach nur absurd. Wir arbeiten gemeinsam an einem Produkt und da gibt jeder dazu, was hineinpasst. Und da wir alle Profis genug sind – alle wohlgemerkt – weiß man eben, was da reinpasst und was nicht. Das ist unser Gesamtarrangement und wenn einer sagt, er will was anderes machen, wird darüber nachgedacht. Und das ist total easy eigentlich.
Ronny: Der gegenseitige Respekt voreinander…
Peter: …das ist es.
Jäcki: Genau.
Ronny: Der spielt die entscheidende Rolle dabei. Und wenn einer einen Vorschlag macht, dann wissen alle, dass wir Ahnung davon haben. Wenn da einer was sagt, dann denkt man darüber nach. Das betrifft alle, Adrian genauso. Dass die Platte so anfängt zum Beispiel – das weiß ich noch genau – das war Adrians Vorschlag. Da haben wir noch überlegt und dann kam einfach so Adrian und meinte: Was ist denn, wenn wir so anfangen? Das war Adrians Vorschlag. Das ist eine Arbeitsweise, die ist sehr von Respekt geprägt. Und wir sind sehr zufrieden mit diesem Weg.
Jäcki: Da kann sich auch jeder super einbringen.

Und jeder sich wiederfinden.
Jäcki: Genau. Absolut.

Und das ist es, was ich meine, dass ihr auch relativ entspannt rüberkommt und ziemlich ausgewogen wirkt. Ihr als Band – ob ihr auf der Bühne steht oder auf dem Album.
Jäcki: Und in dem Fall kam dann noch Ole dazu. Mit dem haben wir uns auch total super verstanden. Wir kennen ihn natürlich gefühlt schon tausend Jahre, aber zusammen zu arbeiten ist ja nochmal was anderes. Aber das hat auch super gepasst.

Dann dürfte es jetzt schon fast schwierig werden, eine Auswahl für die Tour zu treffen, bei der Fülle an Songs, die ihr habt. Werden das dann Drei-Stunden-Konzerte oder so? Das wäre für euch vor allem gesangstechnisch besonders anspruchsvoll, aber für die Zuschauer sicher weniger schwierig...
Peter: Ach, das geht schon irgendwie... (lautes Gelächter in der Runde) Das mit dem Respekt sage ich immer wieder gerne. Ich bin ja einmal im Jahr als Dozent im Bluescamp und das ist immer die erste Runde: Dass man Respekt haben muss vor seinen Mitkollegen und alle gemeinsam Respekt vor der Sache, die man gemeinsam macht. Das ist total wichtig und dazu gehört auch, dass man sich erkundigt, warum Blues eben so klingt. Und das ist nichts anderes, wenn man miteinander arbeitet. Wichtig ist immer, dass du weißt, was du da machst. Und das hat immer mit Respekt zu tun. Die Kollegen sind das eine und das gemeinsame Herzblut, was man da rein gibt – dieser Respekt muss gemeinsam sein. Und da kommt man nicht auf die Idee, komm wir spielen mal schnell "Hoochie Coochie Man" oder sowas. Egal, ob jeder das kennt. Oder "Bad moon rising" von CCR. Das geht nicht mal einfach so, dann wird’s schlecht.
Jäcki: Das ist ja auch normal, bei gestandenen Bands sammelt sich das eben so an. Bestimmte Songs werden wir immer spielen, andere kommen dazu. Das ist auch wichtig für das Publikum, dass die nicht immer wieder dasselbe hören – für uns aber auch. So gerne, wie wir auch die alten Songs alle spielen, aber ab und zu was Neues...
Peter: Ich habe gestern gerade gesagt, wir müssen uns mal einen Kopf machen, was wir noch so an fremden Songs reinnehmen in unser Programm...
Jäcki: …ob wir ein paar Cover-Songs neu reinnehmen oder so.

Klar, es gibt so einige Songs, auf die ich beim Konzert auch immer schon warte. Und jetzt kommt wieder Neues in die Auswahl, dann muss natürlich irgendwas rausfallen.
Peter: Ja. Oder wir müssen eben Schnittchen essen zwischendurch, wenn es sich dann so zieht. Das ist schon eine Verantwortung, aber die obliegt uns eben. Das wissen wir. Das Leben besteht aus Kompromissen, auch in solchen Dingen. Aber das ist halt so.

Foto: Robert Schultze
Die Tour kommt zum Anfang des neuen Jahres. Habt ihr darüber hinaus schon konkreteren Pläne oder Ideen? Peter, du hast ja gesagt, du schreibst immer weiter, es sammelt sich immer wieder neues Material. Habt ihr irgendwelche Wünsche, Vorstellungen, Pläne?
Ronny: Wünsche, natürlich. Ein Wunsch ist zum Beispiel, dass wir unseren Aktionsradius erweitern können. Ich kümmere mich ja ums Booking und erlebe die Reaktionen, wenn man sich zum Beispiel bei der "Harmonie" in Bonn bewirbt, um dort ein Konzert zu organisieren für eine Band, die im Osten Deutschlands sehr gut läuft. Wo es kein Problem ist, für eine Tour ein Konzert im Januar/Februar zu buchen, weil man zuversichtlich sein kann, dass es gut funktionieren wird. Aber dort hat man es sehr schwer. Es gibt einen Kreis, in den es irgendwie schwer ist, einen Einstieg zu finden. Der Veranstalter bucht die Band nicht, weil die Leute aus der Region, die den Club besuchen, die Band nicht kennen. Willst du die Band kennenlernen, brauchst du erstmal einen Aufhänger, den wir jetzt natürlich haben mit dem neuen Album. Damit ist dieser Wunsch verbunden und da arbeiten wir auch dran, neue Aufmerksamkeit zu bekommen. Dass wir praktisch Leute erreichen, die dann auch nachfragen beim Veranstalter. Nach dem Motto: Mensch, holt doch mal East Blues Experience hierher. Das ist eine Sache, die wir uns wünschen.

Daran habe ich gerade gedacht, dass es über die Fans und Zuhörer geht, dass die eben auch nachfragen. Das kenne ich ja von anderen Bands auch…
Jäcki: Ja, da beißt sich die Maus ein bissl in den Schwanz. Man muss die Clubbesitzer ja auch verstehen, die wollen natürlich nicht pleitegehen. Dann nehmen wir uns sozusagen unsere Arbeitgeber weg. Wiederum können wir auch nicht einfach losfahren und machen dann Minus.

Es wird auch nicht überall gleich funktionieren, das ist schon klar. Aber mitunter funktioniert es auch, dass die Fans immer wieder nachfragen. Und bei manchen wird man trotzdem nicht reinkommen, dann ist es eben so.
Ronny: Heutzutage hat sich das gewandelt. Früher war es so, dass es Clubs gab, die für die Qualität ihres Programms bekannt waren und die Leute sind deshalb hingegangen. Da gab es diese Social Media-Aktionen noch nicht wie heutzutage. Da war eben der Veranstalter vor Ort unser Werbepartner für die Konzerte. Weil der gesagt hat, er präsentiert die Band und er nimmt nur gute Bands. Und wenn die Leute die nicht kannten, dann haben sie sich die eben trotzdem mal angesehen. Da hatte Musik auch einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft. Heute ist es häufig so, dass der Veranstalter sagt: "Naja, ihr seid eine gute Band, die Musik gefällt mir. Mein Problem ist nur, das Publikum kommt nicht." Das hat sich geändert und deshalb kann er uns nicht einkaufen. Wir müssen also gucken, wo man erstmal im Vorprogramm von Bands spielt, die dort die Halle füllen. Das macht man einmal oder zweimal mindestens, um dann das erste eigene Konzert zu machen und das wird einem zum Glück auch manchmal angeboten. Bei manchen klappt es aber auch von vornherein überhaupt gar nicht, da wird dir die Tür nicht mal aufgemacht. Und da würde ich mir einfach wünschen, dass man da ein bisschen offener auch in etablierten Clubs ist, vor allem im Westen eben.
Peter: Es ist ja so, als wir einen Manager aus Bremen hatten, haben wir ja als Bluesband schon relativ viel im Westen gespielt. Wir haben aber dazwischen auch lange Pausen gehabt. Das heißt, da hat die Kontinuität gefehlt und jetzt muss die Kontinuität fehlen. Weil wir nur noch Tourneen machen. Damals haben wir gesagt, wenn er angerufen hat: Pass auf, wie spielen dann und dann. Und dann hat er gesagt, wenn ihr schon in Dortmund seid, könnt ihr auch gleich in München spielen usw. Da war es eben so, dass wir Donnerstags in Osnabrück zur Blueslawine oder so gespielt haben. Da wäre das so gekommen, dass man so eine Tour macht. Aber wir müssen eben auch auf unsere Finanzen achten, wir sind ja Berufsmusiker. Für einen Kasten Bier und eine Bockwurst kannst du jeden Tag irgendwo spielen. Das geht immer.
Jäcki: Ja, das geht in jedem Falle.

Klar, aber du musst ja die Termine oder Orte irgendwie sinnvoll aneinander legen können.
Peter: Ja, genau. Und du kannst das ja nicht nur hintereinander machen. Und ich sag mal – außer Adrian, der noch ein bisschen jünger ist – das müssen wir auch nicht mehr unbedingt machen. So ein Abenteuer, so eine Kalkulation für die nächsten zwanzig Jahre zu machen, ist relativ sinnlos. Bei uns beiden, die schon knapp über 50 sind (lacht), muss das schon passen. Allein durch meine Dozentennummer im Bluescamp, habe ich ja immer Schüler von überall und wir spielen und die Leute sind begeistert. Die sind auch von ganz weit her aus dem Westen und sagen: Mensch, kommt doch mal hierher. Wenn du die alle zusammennimmst, kriegst du einen Saal voll, aber die wohnen auch in München und Dortmund und so. Das ist das Problem. Da kommen auch immer die Fragen über Facebook und so: Warum nicht Kassel oder so? In Kassel im "Schlachthof" haben wir auch gespielt...
Ronny: Noch zwei schöne Geschichten zu dem Thema: Für die Tour 2015 mit unserer EP habe ich 35 Veranstalter in den alten Bundesländern kontaktiert, zum Teil gute Gespräche geführt und auch völliges Verständnis für das, was ich eben gesagt habe. Das muss ja alles erstmal funktionieren und ist nicht so einfach. Ich habe aber eben nichts wirklich gut hinbekommen und ein Brief von "Blues in Town" ist zurückgekommen als "nicht zustellbar". Dann habe ich mir irgendwann gesagt, das ist mir jetzt auch egal. Und dann haben wir beim Blue Wave-Festival in Binz gespielt und das war ein sehr erfolgreiches Konzert. Wir haben so viele CDs wie noch nie beim Konzert verkauft. Und plötzlich kam einer an und meinte: "Eh man, ihr seid ja echt klasse. Ihr müsst unbedingt bei uns spielen." Und hielt mir eine Visitenkarte hin und da stand drauf "Blues in Town e.V." Es ist bis jetzt leider noch nicht dazu gekommen, weil man das natürlich kombinieren müsste. Und da spielt eine Rolle, was Peter eben gesagt hat, dass wir im Moment aus Zeitgründen so kompakt unterwegs sein müssen. Deshalb haben wir das noch nicht gedeichselt bekommen. Und ein anderes Ding ist die zweite Geschichte: Wir haben in diesem Jahr in Berlin auf der Biesdorfer Parkbühne gespielt und da war eine Musikerin dabei, die hatte eine aus Hamburger Musikern bestehende Begleitband. Wir haben als Letzte gespielt und die sind bis zum Schluss vor der Bühne geblieben und waren völlig begeistert. Und die meinten: "Wenn ihr mit der neuen Platte nach Hamburg kommt, dann müsst ihr uns unbedingt Bescheid sagen." Und da habe ich gesagt, dass wir leider nicht nach Hamburg kommen. Das konnten die gar nicht verstehen. Und das ist eine schöne Geschichte, da habe ich einen Kontakt von der Band bekommen und die haben gesagt: "Ronny, schick uns bitte unbedingt die CD. Wir wollen uns kümmern und versuchen, euch nach Hamburg zu holen." Solche Sachen, die ich eben genannt habe, die muss man spielen. Und das ist es, was wir versuchen wollen, zu vermehren. Diese Mund-zu-Mund-Propaganda.
Peter: Letztendlich hat es auch damit zu tun, dass wir also wirklich ein Konzept haben. Ich war kürzlich mit Cat unterwegs, wir sind gemeinsam im Auto gefahren und sie hat sich doll beschwert. Ich will keine Namen nennen, jedenfalls ein ganz gutes Boogie-Trio. Und dann sagte sie: "Jetzt war ich fast drei Wochen unterwegs und habe nicht mal ganz 300 Euro nach Hause gebracht." Und so machen die ihre Muggen, die spielen eben auch für 300 Euro irgendwo. Hauptsache, der Kalender ist voll – das sieht gut aus, das ist alles. Aber das zahlt sich für die Musiker eben nicht aus. Und das fällt aus bei uns. Wir haben ein Konzept und das besteht nicht darin, mit einem vollen Muggen-Kalender anzugeben.
Ronny: Ganz im Gegenteil. Bei uns ist es so, dass immer wieder Fragen kommen, gerade zu solchen Tourzeiträumen: Mensch, könnt ihr bei uns auch spielen? Und dann gucke ich mir an, wie weit das von den anderen Muggen entfernt ist. Und wenn das nur 20 km sind, dann geht das nicht. Es wird zum Beispiel gefragt, warum wir nicht in Berlin spielen bei dieser Tour. Dann sage ich, aus Gebietsschutzgründen für Potsdam. Weil ich solche Sachen immer mit dem Veranstalter abspreche und wenn der Veranstalter sagt, dass er ein Problem damit hat, wenn wir in Berlin und Potsdam spielen, dann machen wir das nicht. Ich möchte ja, dass unser Konzert in jedem Fall richtig gut wird. Du hast zwar immer Leute, die sagen, dass das kein Problem ist, aber wir entscheiden die Sache für uns. Wir wollen, dass unsere Konzerte eine gute Qualität haben – in jeder Hinsicht. Und dafür achten wir eben auch darauf, dass es nicht zu viele Termine sind.
Peter: Das hat auch mit Loyalität gegenüber dem Veranstalter zu tun. Wenn der Veranstalter gerade eine Eintrittsmugge geplant hat und dann macht die Band zwei Wochen vorher zum Beispiel noch eine andere. Sowas geht nicht.
Jäcki: Das ist auch als Band blöd. Du nimmst dir quasi selbst das Publikum weg. Ich meine, das kann funktionieren, aber es muss eben nicht funktionieren.
Peter: Das sind drei Säulen, die so eine Veranstaltung ausmachen. Das eine ist die Band – ich geh jetzt mal als Egozentriker von uns aus. Wir haben hart gearbeitet und haben Spaß und möchten das gerne öffentlich aufführen. Die zweite ist der Veranstalter, also jemanden zu finden, der uns dafür bezahlt, dass wir das machen, dass wir davon leben können. Und wir alle sind auf Nummer drei angewiesen – auf das Publikum. Und wenn da keine Leute kommen, die ihr sauer verdientes Geld uns und dem Veranstalter geben, passt es nicht. Das muss für uns und für den Veranstalter passen – leben und leben lassen. Wenn eines von den dreien fehlt, dann funktioniert es nicht, dann hinkt es irgendwie. Das vergessen viele, Musiker und Veranstalter scheinbar auch. Man darf eben als Band nicht immer sagen, das geht. Vor allem nicht, wenn du genau weißt, dem habe ich gerade erst "Guten Tag" gesagt. Und deshalb müssen für uns eben immer ein paar hundert Kilometer dazwischen sein. Solche Probleme wollen wir ausschließen mit einer relativ konkreten Vereinbarung. Zumindest mit dem, was man überhaupt planen kann in dem Feld. Es gibt ja noch genug andere Dinge, weißt du ja selber. Bei einem Open Air, wo es regnet, kannst du planen, was du willst...

Das stimmt allerdings. Das war es von meiner Seite. Es sei denn, es gibt noch etwas, das euch ganz wichtig ist und das wir noch nicht angesprochen haben?
Peter: Schönen Dank haben wir schon gesagt, oder?


Ja, das habt ihr. Danke gleichfalls und alles Gute für euch!

Sonntag, 19. August 2018

Zusammenfassung der Leidenschaft

Es gibt Dinge, die gehen eigentlich gar nicht. Driftwood Holly lässt sich davon nicht beirren.

Er baut eine Bank aus einem Baumstamm und platziert sie am höchsten Punkt von Dawson City. Er baut einen kleinen Schaufelraddampfer aus Holz und schickt ihn auf den Yukon. Er fegt einen zugefrorenen See und baut einen Mond aus Gras darauf. Er pumpt nachts ein Schlauchboot auf und paddelt mit seiner Band durch Venedig. Einer wie er hat viele Ideen, Träume und Visionen im Kopf. Dort könnte er sie lassen – oder versuchen, sie wahr zu machen.

Ein Musikerkollege sagt ihm einmal: "Es gibt Dinge, die gehen eigentlich gar nicht. Und dann kommst du und machst einfach. Und dann geht das auch noch." Driftwood Holly folgt seinem Herzen, seiner Intuition und meistens fährt er sehr gut damit. Auch bei seinem dritten Album. Schon lange vorher ist für Holly klar, dass dieses Album "Casanova" heißen und in Venedig produziert wird. Lange bevor der Titelsong geschrieben, das Studio ausgesucht oder die Finanzierung geklärt ist. Die Band kennt Holly inzwischen und vertraut ihm, weil sie wissen, dass es irgendwie so kommen wird. Zu fünft starten sie die Planung – Driftwood Holly (voc, git), Jäcki Reznicek (bg), Pavel Osvald (vl), Basti Reznicek (dr, perc) und Adrian Dehn (git). Doch die Band ist quasi ein Projekt und die Zusammensetzung flexibel. So kommt für die Albumproduktion Dan Stark ins Boot, ein kanadischer Gitarrist, für dessen Gitarrenspiel sich Holly bei einer Jamsession zu Hause in Whitehorse spontan begeistert. Ebenso wie für das Cellospiel von Lori Goldston, die schon mit Nirvana auf der Bühne stand. Kurzerhand schickt Holly ihr eine Mail und holt sie als Special Guest an Bord.

Als die Jungs im Februar in den Waterland Studios in Venedig ankommen, haben sie vorher gerade ein paar Konzerte gespielt. Transatlantische Proben sind für Holly, den es aus dem sächsischen Oberwiesenthal hoch in den kanadischen Norden zog, und seine deutsche Band generell schwierig zu organisieren. Zwar haben sie die meisten Songs schon live gespielt, doch mit der Freiheit, sie jedes Mal neu zu interpretieren. Auf der Bühne können sie sich vom Moment, vom Publikum und der Stimmung inspirieren lassen. Im Studio gilt es nun, sich auf eine Masterversion zu einigen, die quasi für die Ewigkeit gespeichert und beliebig oft abgespielt wird. Es kommt also darauf an, die Musiker und ihre Instrumente so in Szene zu setzen, dass die Songs ihre volle Strahlkraft entfalten.

Bei meinem Besuch im Studio bekomme ich eine Idee davon, was das bedeutet. In den fünf Tagen erlebe ich Venedig bei Schnee, Regen, Nebel und Sonnenschein. Die wechselnden Gesichter gehören zur Stadt und machen ihren Charme aus. Genauso ist es mit der Band. Die Arbeitsatmosphäre ist konzentriert und intensiv. Sie musizieren und diskutieren, lachen und streiten, philosophieren über das große Ganze und viele einzelne Details. Letztlich ist es wie eine gemeinsame Sprache, die sie als Musiker unabhängig vom Land oder Genre verbindet, wie Adrian meint: "Das ist genau das, was du in diesem Umfeld lernst – dass es eben nicht darum geht, nur nach Noten und bestimmten Abläufen zu spielen. Sondern dass es eine menschliche Sache ist, wie du dich in den anderen einfühlst und seine Geschichte mit erzählst." Dabei sind vor allem die Leidenschaft für ihre Musik und der gegenseitige Respekt spürbar. Und so ist es leicht, sich von dem Kribbeln anstecken zu lassen, das in der Luft liegt, weil etwas Neues und Besonderes entsteht.

Für Holly ist Venedig auf jeden Fall die richtige Entscheidung: "Für mich ist das hier die Zusammenfassung der Leidenschaft. Und wenn du diese Leidenschaft für die Musik hast, dann musst du sie an den besten Platz bringen, der dir einfällt. Manche Sachen bekommen einfach Beine, wenn bestimmte Umstände zusammenkommen." In zweieinhalb Wochen Studioarbeit erleben sie genau das und sind froh, als sie schließlich alle Songs im Kasten haben. Auch wenn die Arbeit am Album noch lange nicht beendet ist, jammen sie am Abend erstmal ausgiebig und genießen das freie Spiel. Doch die Expedition ins Unbekannte geht weiter, denn Lori Goldston spielt ihre Cello-Parts im Studio in Seattle ein. Offenbar kann sie den speziellen Vibe auch dort spüren – sie kennt die Songs vorher nicht und trifft doch die Stellen, an denen die Jungs schon im Studio das Cello im Kopf haben.

"Die Musik, die wir machen, ist intensiv und emotional. Und darum ist sie beeinflusst von Menschen, die intensiv und emotional gelebt haben. Ich glaube, Casanova war so einer, der einfach das Dasein gefeiert hat und das ist etwas, das auch in mir wohnt", sagt Holly. Bester Beweis ist das ausdrucksstarke und harmonische Album. "Casanova" spiegelt den Geist von Venedig, der Musiker und Songs gleichermaßen inspiriert hat. Ob zarte Ballade oder fließender Rocksound, ob Folk- oder Bluesaspekte, ob mittelalterliche oder barocke Klänge – diverse Liedcharaktere haben sich zu einem klangvollen Ganzen verbunden, ohne ihren Kern zu verändern. So wirkt das Album sanfter, als seine Vorgänger – irgendwie leicht und sphärisch, trotzdem mystisch und kraftvoll. Die feinsinnige Kommunikation zwischen den Instrumenten überzeugt in einzelnen Details, wie auch im Gesamtarrangement. Verbindendes Element ist Hollys warme, sonore Stimme, die den Liedern ihre Seele einhaucht. "Casanova" ist ein Plädoyer für das Leben und seine Emotionen, für Vertrauen in sich selbst und das große Unbekannte. Denn ohne all das würde es diese Band und das Album nicht geben. Und auch nicht die Geschichten um Driftwood Hollys unkonventionelle Ideen.

Der Beitrag ist nachzulesen im SCHALL-Musikmagazin
(Ausgabe 3/2018; www.schallmagazin.de)

Tourtermine (Auswahl):
26.10.2018 Lichtentanne, Christuskirche
02.11.2018 Auerbach, Nicolaikirche
09.11.2018 Leipzig, Moritzbastei
10.11.2018 Zwickau, Versöhnungskirche
16.11.2018 Plauen, Theater
17.11.2018 Dresden, Tante JU
24.11.2018 Berlin, Admiralspalast (Kleiner Saal)

Die vollständigen Tourtermine sind demnächst zu finden auf: www.driftwoodholly.com