Es gibt Dinge, die
gehen eigentlich gar nicht. Driftwood Holly lässt sich davon nicht beirren.
Er baut eine Bank aus einem Baumstamm und platziert sie am
höchsten Punkt von Dawson City. Er baut einen kleinen Schaufelraddampfer aus
Holz und schickt ihn auf den Yukon. Er fegt einen zugefrorenen See und baut
einen Mond aus Gras darauf. Er pumpt nachts ein Schlauchboot auf und paddelt mit
seiner Band durch Venedig. Einer wie er hat viele Ideen, Träume und Visionen im
Kopf. Dort könnte er sie lassen – oder versuchen, sie wahr zu machen.
Ein Musikerkollege sagt ihm einmal: "Es gibt Dinge, die gehen
eigentlich gar nicht. Und dann kommst du und machst einfach. Und dann geht das auch
noch."
Driftwood Holly folgt seinem Herzen, seiner Intuition und meistens fährt
er sehr gut damit. Auch bei seinem dritten Album. Schon lange vorher ist für Holly
klar, dass dieses Album "Casanova" heißen und in Venedig produziert wird. Lange
bevor der Titelsong geschrieben, das Studio ausgesucht oder die Finanzierung geklärt
ist. Die Band kennt Holly inzwischen und vertraut ihm, weil sie wissen, dass es
irgendwie so kommen wird. Zu fünft starten sie die Planung – Driftwood Holly (voc,
git), Jäcki Reznicek (bg), Pavel Osvald (vl), Basti Reznicek (dr, perc) und
Adrian Dehn (git). Doch die Band ist quasi ein Projekt und die Zusammensetzung flexibel.
So kommt für die Albumproduktion Dan Stark ins Boot, ein kanadischer Gitarrist,
für dessen Gitarrenspiel sich Holly bei einer Jamsession zu Hause in Whitehorse
spontan begeistert. Ebenso wie für das Cellospiel von Lori Goldston, die schon mit
Nirvana auf der Bühne stand. Kurzerhand schickt Holly ihr eine Mail und holt sie
als Special Guest an Bord.
Als die Jungs im Februar in den Waterland Studios in Venedig
ankommen, haben sie vorher gerade ein paar Konzerte gespielt. Transatlantische
Proben sind für Holly, den es aus dem sächsischen Oberwiesenthal hoch in den kanadischen
Norden zog, und seine deutsche Band generell schwierig zu organisieren. Zwar
haben sie die meisten Songs schon live gespielt, doch mit der Freiheit, sie jedes
Mal neu zu interpretieren. Auf der Bühne können sie sich vom Moment, vom
Publikum und der Stimmung inspirieren lassen. Im Studio gilt es nun, sich auf
eine Masterversion zu einigen, die quasi für die Ewigkeit gespeichert und
beliebig oft abgespielt wird. Es kommt also darauf an, die Musiker und ihre
Instrumente so in Szene zu setzen, dass die Songs ihre volle Strahlkraft entfalten.
Bei meinem Besuch im Studio bekomme ich eine Idee davon, was das bedeutet.
In den fünf Tagen erlebe ich Venedig bei Schnee, Regen, Nebel und Sonnenschein.
Die wechselnden Gesichter gehören zur Stadt und machen ihren Charme aus. Genauso
ist es mit der Band. Die Arbeitsatmosphäre ist konzentriert und intensiv. Sie
musizieren und diskutieren, lachen und streiten, philosophieren über das große
Ganze und viele einzelne Details. Letztlich ist es wie eine gemeinsame Sprache,
die sie als Musiker unabhängig vom Land oder Genre verbindet, wie Adrian meint:
"Das ist genau das, was du in diesem Umfeld lernst – dass es eben nicht
darum geht, nur nach Noten und bestimmten Abläufen zu spielen. Sondern dass es
eine menschliche Sache ist, wie du dich in den anderen einfühlst und seine
Geschichte mit erzählst." Dabei sind vor allem die Leidenschaft für ihre
Musik und der gegenseitige Respekt spürbar. Und so ist es leicht, sich von dem Kribbeln
anstecken zu lassen, das in der Luft liegt, weil etwas Neues und Besonderes
entsteht.
Für Holly ist Venedig auf jeden Fall die richtige Entscheidung: "Für
mich ist das hier die Zusammenfassung der Leidenschaft. Und wenn du diese
Leidenschaft für die Musik hast, dann musst du sie an den besten Platz bringen,
der dir einfällt. Manche Sachen bekommen einfach Beine, wenn bestimmte Umstände
zusammenkommen." In zweieinhalb Wochen Studioarbeit erleben sie genau das und sind
froh, als sie schließlich alle Songs im Kasten haben. Auch wenn die Arbeit am
Album noch lange nicht beendet ist, jammen sie am Abend erstmal ausgiebig und genießen
das freie Spiel. Doch die Expedition ins Unbekannte geht weiter, denn Lori
Goldston spielt ihre Cello-Parts im Studio in Seattle ein. Offenbar kann sie
den speziellen Vibe auch dort spüren – sie kennt die Songs vorher nicht und
trifft doch die Stellen, an denen die Jungs schon im Studio das Cello im Kopf
haben.
"Die Musik, die wir machen, ist intensiv und emotional.
Und darum ist sie beeinflusst von Menschen, die intensiv und emotional gelebt
haben. Ich glaube, Casanova war so einer, der einfach das Dasein gefeiert hat und
das ist etwas, das auch in mir wohnt", sagt Holly. Bester Beweis ist das ausdrucksstarke
und harmonische Album. "Casanova" spiegelt den Geist von Venedig, der
Musiker und Songs gleichermaßen inspiriert hat. Ob zarte Ballade oder fließender
Rocksound, ob Folk- oder Bluesaspekte, ob mittelalterliche oder barocke Klänge
– diverse Liedcharaktere haben sich zu einem klangvollen Ganzen verbunden, ohne
ihren Kern zu verändern. So wirkt das Album sanfter, als seine Vorgänger – irgendwie
leicht und sphärisch, trotzdem mystisch und kraftvoll. Die feinsinnige
Kommunikation zwischen den Instrumenten überzeugt in einzelnen Details, wie auch
im Gesamtarrangement. Verbindendes Element ist Hollys warme, sonore Stimme, die
den Liedern ihre Seele einhaucht. "Casanova" ist ein Plädoyer für das
Leben und seine Emotionen, für Vertrauen in sich selbst und das große Unbekannte.
Denn ohne all das würde es diese Band und das Album nicht geben. Und auch nicht
die Geschichten um Driftwood Hollys unkonventionelle Ideen.
Der Beitrag ist nachzulesen im SCHALL-Musikmagazin
(Ausgabe 3/2018; www.schallmagazin.de)
(Ausgabe 3/2018; www.schallmagazin.de)
Tourtermine (Auswahl):
26.10.2018 Lichtentanne, Christuskirche
02.11.2018 Auerbach, Nicolaikirche
09.11.2018 Leipzig, Moritzbastei
10.11.2018 Zwickau, Versöhnungskirche
16.11.2018 Plauen, Theater
17.11.2018 Dresden, Tante JU
24.11.2018 Berlin, Admiralspalast (Kleiner Saal)
Die vollständigen Tourtermine sind demnächst zu finden auf:
www.driftwoodholly.com