Kennst du das...? Wenn die Bilder und Gedanken in deinem
Kopf Salto schlagen? Wenn die Eindrücke und Emotionen in dir Achterbahn fahren?
Wenn du so herrliche Texte und Melodien im Ohr hast, dass du kein Radiogedudel
oder andere Musik ertragen kannst? Wenn deine Seele mit schönen Momenten und
wunderbaren Begegnungen angefüllt ist und du meinst, sie müsse überquellen?
Wenn sich dir einzelne Sätze im Tonfall desjenigen, der sie gesagt hat,
eingebrannt haben und du das Gefühl hast, diesen Moment kann nichts und niemand
mehr löschen?
Genau so ist es mir ergangen. Und ich komme nicht zur Ruhe
und finde nachts keinen Schlaf, weil sich das Karussell immer weiter dreht. Erst
nach drei Tagen beginnt das Chaos sich langsam zu lichten. Aus dem wilden
Durcheinander aus Worten und Gefühlen fügen sich die ersten Sätze zusammen, die
ich endlich aufschreiben kann. Und plötzlich muss ich beim Autofahren wieder
dauernd anhalten, um die neu gefundenen Sätze festzuhalten, auf dass sie mir nicht
gleich wieder entfleuchen.
Schuld daran ist der Wirbelsturm vom Yukon, den der musikalische Wetterdienst für
Anfang März aus
Richtung Nordost gemeldet hatte. Er hört auf den Namen Driftwood Holly und ist pünktlich
zur "Jetzt tanz ich"-Tour eingetroffen. Anfangs trat er noch vereinzelt auf, hat sich dann
aber schnell weiträumig ausgebreitet. Und nicht nur das. Von Mal zu Mal hat er sich
Verstärkung eingesammelt und ist um einiges stürmischer ausgefallen, als ich
mir hätte träumen lassen. Die Evakuierung in ausgewählten Notunterkünften des Landes hat
zum Glück bestens funktioniert, so dass eine gezielte Betreuung mit erfahrenen
Wirbelstürmern möglich war. Heilung scheint allerdings ausgeschlossen, denn die
Zahl der Wiederholungstäter nimmt weiter zu – unter Musikern, Hollyfizierten
und auch Konzertveranstaltern. Nix da mit sanfter Welle, wohl doch eher eine
Flut im positivsten Sinne.
Die letzten fünf Wochen habe ich so intensiv empfunden, wie selten
vorher. (Ok, abgesehen vielleicht von den drei Wochen in Kanada vor knapp zwei
Jahren.) Fünf Wochen Lebenszeit, die so viel mehr in sich bergen als einfach
nur das. Es ist die unbeschreibliche Live-Atmosphäre in ganz unterschiedlicher
Färbung, von der ich nicht genug bekomme und die ich immer wieder neu genieße.
Es sind die warmherzigen und seelensonnigen Menschen, die sich dort begegnen.
Es sind die magischen Momente, die mir gute Energien geben und meine Seele schwingen
lassen. Es sind die unglaublichen Geschichten und Ideen, die der Wirbelwind zu uns
trägt und die sich unter den Hollyfizierten vervielfältigen. Es ist diese einzigartige
Musik, die mich jedes Mal neu verzaubert, die mein Herz tanzen lässt und mich
trägt. Es sind so viele nachhaltige Erlebnisse und Erfahrungen, dass ich mich
unglaublich reich und manchmal gleichzeitig hilflos fühle. Es sind so berauschende
Eindrücke, dass ich wohl noch eine ganze Weile damit zu tun haben werde – mit dem
gefühlsmäßigen Überfluss in meiner Seele und den vielen neuen Klicks in meinem
Kopf.
Es scheint irgendwie unmöglich, das Phänomen Driftwood Holly
angemessen in Worte zu fassen. Wer all das schon erlebt hat, weiß wovon ich
rede. Wer noch nicht dabei war, wird es vielleicht irgendwann erfahren. Und wen
diese Musik und ihre Botschaft nicht erreicht, dem wird es ohnehin unerklärlich
bleiben. Und jede dieser Varianten geht für mich völlig in Ordnung. Ich kann
nur für mich persönlich sprechen... Früher hatte ich oft das Gefühl, dass die schönsten
Momente umso schneller an mir vorbeiziehen. Aber das hatte wohl auch damit zu
tun, ob oder wie sehr ich mich auf sie einlassen konnte. Inzwischen habe ich
gelernt, diese Momente genau dann zu genießen, wenn sie da sind. Und es gelingt
mir immer öfter, sie in mich aufzusaugen wie ein Schwamm und länger von der
positiven Energie zu zehren.
All das tanzt an diesem sonnigen Samstagmittag durch meinen
Kopf und mein Herz. Ich denke mir, dass die Seele randvoll ist und irgendwann überlaufen
müsse, weil nichts mehr hineinpasst. Und dann kommt der Tourabschluss in Ebersbrunn...
Und die Driftwoods belehren mich eines Besseren – mit dieser grandiosen Band
und ihrer Herzensmusik, mit den inspirierenden Menschen und ihrer unvergleichlichen
Art, das Leben zu feiern. Ein Konzert, das vielleicht nicht das soundmäßig Schönste
ist und wohl auch einige Trolle mehr im Publikum hat als die anderen vorher.
Und doch ist es eines der emotionalen Highlights, weil mich die Gänsehaut noch
spontaner und nachhaltiger überfällt. Weil es Momente mit sich bringt, die ich
nie für möglich gehalten hätte. Doch wer weiß schon, was wirklich möglich ist im
Leben...
Es ist wieder einmal das letzte Konzert vor einer Pause von
unbestimmter Dauer. Wir stehen vor der Bühne – dichtgedrängt, zwischen den vielen
liebgewonnen Hollyfizierten, von denen ich etliche noch vor wenigen Monaten gar
nicht kannte. Ich freue mich über jedes Lied, jede Geschichte, jedes Lachen, das
uns bleibt, bevor der Wirbelwind wieder heimwärts fliegt. Und doch ist diesmal keine
Traurigkeit in mir, denn das Glück und die Dankbarkeit für die unzähligen zauberschönen
Eindrücke überlagern alles andere.
Und plötzlich beginnt Holly von einigen Leuten aus dem
selbstgewählten Stamm zu erzählen. Er zeigt auf Anja und Frank. Und ich denke
mir: "Das
gibt's doch nicht... oder doch... hoffentlich nicht... oder vielleicht doch..."
Alles gleichzeitig. Bis zu dem einen Moment, in dem mir klar wird: "F***,
der meint tatsächlich auch mich." Weglaufen ist keine Option und kurz
darauf finde ich mich auf der Bühne wieder und sehe die vielen Menschen vor mir.
Zum Glück sind wir zu viert in der Runde und können uns gegenseitig festhalten.
Dana muss kurz darauf alleine da durch. Du hattest natürlich mal wieder recht,
Holly. Freiwillig wären wir sicher nicht da hinauf gegangen. Doch diese Geste
von euch Driftwoods und das, was du dort oben gesagt hast, bedeutet mir sehr sehr
viel. Das hat sich tief eingebrannt in mein Hirn und mein Herz.
Das Ende der Konzertabends und der Tour wird klar und deutlich, als
Holly zwischen den Zugaben verkündet: "Eins sing mer noch, aber ich weiß
net welches." Mein Zuruf kann sich durchsetzen und mit dem Publikumschor werden
"Die wilden Jahre" beinah zur Hymne. Einen schöneren Geburtstagschor hätte
ich mir nicht wünschen können J Und auch nicht die Fortsetzung dieses Tages –
das KeramikGeburtstagsKomplott, das mich total aus den Socken gehauen
hat; der glückselige frühmorgendliche Umtrunk und das entspannte Frühstück mit
zwei tollen Mädels in einer idyllischen Ferienwohnung; die sonnige Runde mit
lieben Menschen im Wald, das Erzählen, Zuhören, Träumen und Lachen, die Zeit
auf der Terrasse und im Hexenhäusel. Ein denkwürdiger und gefühlsintensiver Tag
vom ersten bis zum letzten Moment – von herrlicher Lieblingsmusik bis zu völliger
Sprachlosigkeit, von den vielen Herzensmenschen bis zum "vermissten"
Patenkind, von absoluter Freude bis kurz vor'm Umfallen... Alles in einem. Ich
hab mich total gefreut und jeden Moment genossen.
DANKE für alles... Es waren traumhafte und energiegeladene
Konzerterlebnisse voller Wärme, Begeisterung und Magie. Lachen, Singen, Tanzen,
Gänsehaut und Tränen – da war alles dabei. DANKE Holly, für all das, was du uns
mit deiner Musik und deiner besonderen Art gibst. (Darf ich als quasi
Bandmitglied jetzt eigentlich auch "Chef" sagen?) DANKE Pavel, Jäcki,
Basti, Adrian! DANKE für die wundervollen Momente und das helle Strahlen, das
ihr euren Liedern schenkt und den Menschen, die gekommen sind, sie zu hören! DANKE
an all die wunderbaren Hollyfizierten, die diese "Jetzt tanz
ich"-Tour zu dem gemacht haben, was sie war – absolut einzigartig und
hollyziös! (Danke an ich weiß nicht mehr wen – für die hollyziöse
Wortkreation.) J
DANKE, liebes Leben, DANKE!!
Und trotz oder gerade wegen der intensiven Erfahrungen und
Erlebnisse ist es schön zu wissen, dass nun (sicher nur vorübergehend) etwas
Ruhe einziehen kann. Es ist gut zu wissen, dass der Wirbelwind wieder gut am Yukon
gelandet ist. Es ist gut zu wissen, dass auch er seine Akkus wieder aufladen
und seine Kirsten froh und glücklich in die Arme schließen kann. Und trotz
allen kopfmäßigen Verständnisses ist es auch schön zu wissen, dass wir in
unserem Stamm der Hollyfizierten mit dem Gefühlschaos oder dem Überschwang oder
was auch immer nicht alleine sind.
Ich habe soviel Schönes erfahren, dass ich mich nun leicht
und frei fühle. Und gerade mit den Menschen, die mir besonders wichtig sind und
mit denen es hin und wieder irgendwie schwerer geht, fühlt sich auch alles
leicht und total gut an. So viel Glück und frische Impulse setzen neue Energien
und Ideen frei. "Und dann dreht der Wind und verrückt das Licht, und dann
fall'n
die Schleier und ich erkenne dich. Und dann trifft mein Pfeil aus dem
Nirgendwo, meine Ungeheuer sterben sowieso..." J