Freitag, 19. August 2016

Seelenfutter


Hatte ich schon erwähnt, dass ich manchmal ziemlich auf der Leitung stehe? Ja? Na, macht nichts. Das ist mir nur heute wieder einmal bewusst geworden... als mir die Wespen mein Balkonbüro streitig machen wollten. Auf diese Art der Auseinandersetzung hatte ich keine Lust. Und plötzlich fiel mir ein, dass ich den August eigentlich nutzen wollte, um meinen Lieblingsarbeitsplatz zu suchen und zu finden. Kann ich ja machen. Ich kann schreiben, wann und wo ich will. Ich muss mich nur immer wieder mal daran erinnern.

Also habe ich schnell meine Siebensachen zusammengepackt und mich auf den Weg gemacht. Selbstverständlich ist mein Lieblingsarbeitsplatz irgendwo draußen zu finden, im Grünen und vorzugsweise am Wasser. Das ist in Berlin auch gar nicht so schwer. Also bin ich einfach ein Stückchen stadtauswärts gefahren und schon finden sich jede Menge schöne Flecken am Wasser. Mein heutiger "Fundort" ist jedenfalls ziemlich weit oben auf der Bestenliste... naja, stehen auch noch nicht allzu viele drauf J

Jetzt sitze ich hier direkt am Wasser, genieße Sonne und freie Sicht, atme frische See- und Waldluft und fühle ich mich wohl. Und da ist sie wieder, die blitzartige Erkenntnis... Es kann so einfach sein, die Seele mit positiven Energien zu füttern. "Seelenfutter" – ein schönes Wort, das ich letztens bei einer Freundin gelesen habe und gleich in meinen Wortschatz aufnehmen musste. Und damit sind nicht etwa materielle Dinge gemeint, die manch einen vermeintlich glücklich machen. Die kleistern oft nur die Seele zu und verschleiern den Blick für die wirklich wesentlichen Fragen oder Überlegungen.

Dabei ist es eigentlich gar nicht schwer, die Seele mit schönen Momenten, Erlebnissen, Erfahrungen oder Begegnungen zu füttern. Ein entspanntes Frühstück im Sonnenschein, eine durchgequatschte Nacht am Lagerfeuer, ein ganzer Tag draußen unterwegs mit Freunden... Es kann so einfach sein. Wir müssen es uns nur bewusst machen und uns selbst einfach etwas Gutes tun. Obwohl, wenn ich mich in meinem Freundeskreis so umsehe, scheint es vielen leichter zu fallen, sich selbst in Frage zu stellen und die eigenen Zweifel zu nähren. Das Thema hatten wir in der letzten Zeit öfter mal – beim Konzert, am Lagerfeuer, unterwegs im Auto. Egal, ob am Tag oder mitten in der Nacht und egal, in welcher Besetzung.

Es ist offenbar leichter, die Zweifel anderer beim Namen zu nennen und ihnen überzeugende Argumente für den besseren Weg zu liefern. Wenn es um das Wohl anderer geht, scheint plötzlich alles hell und klar. Da ist es ganz einfach, positives Feedback zu geben, Ideen in leuchtenden Farben auszumalen, zu bestärken und voranzubringen. Beim Philosophieren über sich selbst geht es häufig eher in die andere Richtung. Bis jemand in der Runde schmunzelnd zu dir sagt: "Mach mal so." und sich dabei an die Nasenspitze greift. Meistens braucht es den Griff an die Nasenspitze gar nicht tatsächlich, weil die Erkenntnis dann spontan einsetzt. "Ähm ja, du hast ja Recht." Ja, ich weiß, ich gehöre auch dazu. J

Na immerhin, die Selbsterkenntnis ist schon einiges wert. Auch wenn dadurch nicht automatisch alles besser wird und es bis zur Umsetzung oft noch ein kleines oder größeres Stückchen Weg braucht. Aber den Dauerfernsehguckern, Konsumopfern oder anderen, die sich ohne allzu viel nachzudenken Hirn und Herz zukleistern lassen, haben wir damit schon einiges voraus. Und was spricht dagegen, wenn einer dem anderen auf dem Weg der Erkenntnis vorwärts hilft, ihn anstupst oder ihm unter die Arme greift. Wenn sich jeder um seine Nächsten kümmert, ist letztlich doch irgendwie allen geholfen. Das muss nicht immer in der Eins-zu-eins-Variante passieren, das funktioniert auch in einer größeren Runde. Wenn wir uns untereinander austauschen, uns unterstützen und gegenseitig voranbringen, helfen wir uns quasi selbst am meisten.

Das ist es doch, was das Besondere im Leben ausmacht – wenn Menschen miteinander ins Gespräch kommen und füreinander da sind. Und es ist schön, wenn es menschelt. Daraus ergeben sich überraschende Themen, neue Denkanstöße, spannende Perspektiven und zum Teil ungeahnte Möglichkeiten. Dabei muss es nicht unbedingt der beste Freund, nicht das engste Familienmitglied sein, mit dem wir stundenlang unser Innerstes diskutieren. Manchmal ist es einfach ein Gefühl, eine gemeinsame Erfahrung oder der passende Moment, der uns mit jemandem verbindet. Dann finden wir ohne zu fragen eine gemeinsame Ebene. Wir wissen intuitiv, dass wir uns vertrauen, fallen lassen und gegenseitig auffangen können. Das sind die Erlebnisse, die das Leben so schön und bunt machen... und manchmal glitzert es sogar... J

© GB 2016